von Marion Hoffmann, MdBVV und Co-Kreisvorsitzende
Ich suchte ein bestimmtes Gedicht, fand es nicht, stieß aber auf einen vertrauten Dichter: Max Herrmann-Neiße.
Geboren 1886 im schlesischen Neiße, wurde der zerbrechlich wirkende Mann ein bedeutender Schriftsteller der Weimarer Republik und, besonders nach seiner Emigration 1933 nach England, einer der großen Dichter seiner Generation.
Ich liebe ihn für die Schönheit seiner Verse, seine Ernsthaftigkeit, seine Ehrlichkeit und sein soziales Gewissen. Er schrieb einmal: „Das Dasein ist mir nur erträglich, wenn es für alle erträglich ist.“ Das klingt auffallend nach einer sozialdemokratischen Weltsicht, nicht wahr?
Max Herrmann-Neiße starb 1941 56-jährig in London, fern seiner geliebten Heimat mit ihrer vertrauten Sprache. Das Gedicht „Heimatlos“ schrieb er 1936.
Heimatlos
Wir ohne Heimat irren so verloren
und sinnlos durch der Fremde Labyrinth.
Die Eingebornen plaudern vor den Toren
vertraut im abendlichen Sommerwind.
Er macht den Fenstervorhang flüchtig wehen
und lässt uns in die lang entbehrte Ruh
des sichren Friedens einer Stube sehen
und schließt sie vor uns grausam wieder zu.
Die herrenlosen Katzen in den Gassen,
die Bettler, nächtigend im nassen Gras,
sind nicht so ausgestoßen und verlassen
wie jeder, der ein Heimatglück besaß
und hat es ohne seine Schuld verloren
und irrt jetzt durch der Fremde Labyrinth.
Die Eingebornen träumen vor den Toren
und wissen nicht, dass wir ihr Schatten sind.