Nachdem ich durch Anfragen festgestellt hatte, dass wir in Marzahn-Hellersdorf nur einen Notar haben, wurde ich mehrmals von Notar:innen darauf angesprochen. Als rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus habe ich viele Gespräche mit ihnen und der Notarkammer geführt. Schnell stellte ich in diesem Austausch fest, dass im Bereich des Notariats eine große Ruhestandswelle auf uns zurollt, bisher jedoch nicht genug dagegen getan wird. Die Nachwuchssorgen haben nun also auch das Notariat erreicht, was verheerende Folgen haben kann.

Denn: Notar:innen übernehmen in unserer Gesellschaft eine Vielzahl wichtiger Aufgaben, sie spielen geradezu eine Schlüsselrolle bei der Sicherung von Rechtsordnung, Vertrauen und Rechtssicherheit. Von der Unterschriftenbeglaubigung bis zu Beurkundungen verschiedenster Rechtsgeschäfte des Grundstücks-, Gesellschafts-, Familien- und Erbrechts und der Vertragsgestaltung – Notar:innen sind für unser Rechtssystem unverzichtbar.

Notar:innen in Berlin haben nun zwei große Probleme: Das eine ist der Nachwuchsmangel durch sehr langwierige und aufwendige Bewerbungsverfahren, das andere die geschlechter- und regionalungleiche Verteilung.

Über die Gespräche und Fragen an den Senat habe ich herausgefunden, dass 60 Prozent der Berliner Notar:innen über 55 Jahre alt sind. Jede:r Fünfte sogar über 66 Jahre. Zur „Wahrung einer geordneten Altersstruktur“ werden in ungeraden Jahren pauschal 30 Stellen ausgeschrieben und außerdem immer Notar:innenstellen, wenn die Bedürfniszahl – das Ergebnis einer Formel auf Basis der im Durchschnitt getätigten Notargeschäfte – eine gewisse Grenze überschreitet. Jedoch reicht das zum einen nicht (die Prognosen zeigen für die nächsten Jahre jährlich je mehr als 30 altersbedingte Abgänge), zum anderen werden die ausgeschriebenen Stellen gar nicht besetzt. Das liegt unter anderem daran, dass es zu wenig Bewerbungen gibt. 2019 gab es auf 129 Stellen 81 Bewerbungen, 2020 157 Stellen und 41 Bewerbungen und 2021 113 Stellen und 65 Bewerbungen.

Um Notar:in zu werden, muss man eine als sehr schwer geltende Prüfung ablegen (das sogenannte 3. Staatsexamen) und außerdem eine mehrjährige anwaltliche Berufserfahrung in Berlin nachweisen. Ist die Prüfung erst einmal abgelegt und die anwaltliche Mindestberufserfahrung erfüllt, wartet auf die Bewerber:innen ein langes Bewerbungsverfahren, das aus einer „aufwändigen Prüfung von weiteren und tiefergehenden Eignungsvoraussetzungen“ besteht. Geprüft wird dabei die „Rechtstreue und berufliche Korrektheit ohne jeden Fehl und Tadel“ der Bewerber:innen. Hierfür stellen die Zulassungsbehörden auch eigene Ermittlungen an – was im Ergebnis mit dazu führt, dass das Bewerbungsverfahren teilweise drei Jahre andauert. Unter den Notar:innen und den Bewerber:innen herrscht mit diesem langen Verfahren (so wichtig es auch ist) große Unzufriedenheit.

Ebenso sticht heraus, dass das Notariat noch stark männlich geprägt ist – von den Berliner Notar:innen sind nur circa 20 Prozent Frauen. Das Notariat muss deshalb dringend auch für Frauen attraktiver werden.

Ebenso schockierend ist die Verteilung der Notar:innen über die Stadt hinweg: Während Charlottenburg-Wilmersdorf 350 und Mitte 154 Geschäftssitze von Notar:innen aufweisen, haben wir in Marzahn-Hellersdorf nur einen einzigen! Diese Verteilung ist ungerecht und benachteiligt die Außenbezirke, denn auch wir in Marzahn-Hellersdorf haben ein Anrecht auf eine wohnortnahe Versorgung mit Notar:innen-Leistungen.

Was also tun? Es darf an vielen Stellschrauben gedreht werden, um dem schlimmer werdenden Mangel an Notar:innen in Berlin entgegenzutreten. Die Justizverwaltung muss die Nachwuchsförderung schnellstmöglich ankurbeln und das Notariat sowie den Berufszugang attraktiver gestalten, auch und insbesondere für Frauen.

Das Bewerbungsverfahren könnte verkürzt werden, indem jahrelange Ermittlungen der Zulassungsbehörden (teilweise) durch eine schriftliche Bestätigung der Bewerber:innen über ihre Rechtstreue und Unabhängigkeit ersetzt werden. Überprüfungen könnten sodann stichprobenartig erfolgen – dies verbunden mit spürbaren Strafen bei Fehlverhalten wird das hohe Vertrauen in das Notar:innenamt weiterhin sicherstellen.

Für eine regional adäquate Verteilung der Notar:innen sind ebenso verschiedene Möglichkeiten denkbar. So könnten Notariatsbewerber:innen, die sich beispielsweise für einen Außenbezirk verpflichten, angelehnt an die „Landärzt:innenquote“, im Bewerbungsverfahren bevorzugt werden. Die Bundesnotarordnung sieht aber ausdrücklich auch die Möglichkeit vor, Notar:innen bei ihrem Amtsantritt einen Stadtteil zuzuweisen, um letztlich Notar:innenleistungen auch in den Außenbezirken sicherzustellen. So schaffen wir nicht nur Vertrauen, sondern auch eine dauerhafte und wohnortnahe Versorgung mit qualifizierten Notar:innenleistungen – für eine starke juristische Zukunft in ganz Berlin!