Über 14.000 einzelne Verwaltungsleistungen sind zu digitalisieren; viel Potenzial bei der Innenverwaltung; wenig Fortschritte in der Gesundheitsverwaltung
Das Digitalisierungsdashboard der Berliner Verwaltung ist ein wichtiges Instrument, um die Digitalisierung der Verwaltungsdienstleistungen zu organisieren und den Fortschritt transparent zu kontrollieren. Dieses Dashboard soll in Zukunft auch öffentlich zugänglich sein. Jan Lehmann, digitalpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, hat die Fortschritte im Dashboard nun umfangreich ausgewertet (Datenstand 4. April): „Wir müssen wissen, wo wir stehen, um weitergehen zu können. Das Dashboard ist für die Verwaltungsdigitalisierung ein unerlässliches Werkzeug.“ Die Digitalisierung der gesamten Verwaltung ist ein nicht zu unterschätzendes riesiges Projekt. Allein das deutschlandweit geltende Online-Zugangs-Gesetz schreibt die Digitalisierung von 575 Bürger-Dienstleistungen (über 6.000 einzelne Leistungen) vor. Die EU hat außerdem mit der SDG-VO (Single-Digital-Gateway-Verordnung) vorgeschrieben, dass bis Ende 2023 bereits 21 der wichtigsten Leistungsangebote online und europaweit einheitlich zur Verfügung stehen. Es gibt jedoch noch deutlich mehr Verwaltungsleistungen, die zu digitalisieren sind. Das Berliner Dashboard weist insgesamt 14.869 einzelne Leistungen auf. Das reicht von „Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen – Entgegennahme außerhalb der Räume der eigenen Niederlassung auf Tourneen“ bis zu „Zwischenlagerung von radioaktiven Abfällen in einer Landessammelstelle Zulassung“. Darunter so exotische Leistungen wie die „Ausgleichszahlung nach § 38 Atomgesetz (Tschernobyl-Entschädigung)“ oder die „Genehmigung einer Road-Map als Grundlage für ACC3 Benennungen an Drittstaatenflughäfen zur Beförderung von Luftfracht oder Luftpost von einem Drittstaatsflughafen in die Union Erteilung“, aber eben auch alltägliches wie „Baugenehmigungen“ oder die „Beantragung des Wohnberechtigungsscheins“. Lehmann dazu „Unsere Gesellschaft ist komplex und vielfältig, unsere Verwaltung und ihre Digitalisierung sind es dementsprechend auch. Das Dashboard hilft dabei, diese Mammutaufgabe zu bewältigen.“ Von den bereits kategorisierten Leistungen fallen etwa ein Drittel auf die Innenverwaltung mit den Bürgerdiensten, etwa 15 % auf die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz. Die Kultur- und Europaverwaltung muss sich dagegen lediglich um 30 kümmern.
Um bei der Vielzahl der Projekte der Verwaltungsdigitalisierung nicht den Überblick zu verlieren, hat die Verwaltung die Leistungen priorisiert und nach dem Maß der öffentlichen Aufmerksamkeit bewertet. Insgesamt finden sich so 127 Leistungen mit einer hohen Priorisierung, während bei 135 eine starke öffentliche Aufmerksamkeit erwartet wird. Beispiele für hochpriorisierte und von der Öffentlichkeit stark nachgefragten Leistungen sind etwa die Bewilligung von Elterngeld oder die Gewerbe-Anmeldung. Nicht hoch priorisiert, bei gleichwohl hoher Aufmerksamkeit, sind insbesondere Personal-Ausweis-Angelegenheiten: Hier bestehen noch rechtliche Probleme, die vor einer Digitalisierung noch ausgeräumt werden müssen. Berlin muss dabei auch auf den Bund warten – wo kürzlich hierzu eine Änderung des Ausweisgesetzes vom Kabinett verabschiedet wurde. Nicht alle Leistungen wurden bereits priorisiert – jedoch die wichtigsten. Diese verteilen sich wie folgt auf die Ressorts:
In der Stadtentwicklungsverwaltung und bei der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales sind fast alle Vorhaben hoch priorisiert. Bei ersteren sind davon Leistungen rund um Baugenehmigungen und das Wohngeld betroffen, bei zweiteren sind gerade Leistungen für Menschen mit Behinderungen priorisiert. Bei der öffentlichen Aufmerksamkeit ist das Bild leicht anders.
Bemerkenswert dabei sind die starken öffentlichen Erwartungen an die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung. Hierzu zählen in erster Linie Erlaubnisse zum Führen von Berufsbezeichnungen, wie z. B. „Logopäde“, und Leistungen rund um die Approbation. Nicht alle Leistungen lassen sich gleichermaßen gut digitalisieren, daher findet auch eine Einschätzung über das Digitalisierungs-Potenzial statt (von niedrigem zu hohem Potenzial). Bei etwa 60 % der eingeschätzten Leistungen sieht die Verwaltung in hohes Potenzial (4 und höher).
Das meiste Potenzial für die Digitalisierung sieht die Verwaltung beim Innenressort, je etwa die Hälfte der mit sehr hohem Potenzial (5 oder 6) eingeschätzten Leistungen befinden sich dort. Das alles sagt nun viel über die Pläne, aber wenig über den aktuellen Stand der Digitalisierung der Berliner Verwaltung. Um diesen festzustellen, beinhaltet das Dashboard ein Reifegrad-Modell.
Ab Reifegrad 4, ist von einer voll digitalisierten Dienstleistung zu sprechen, Reifegrad 5 ist zusätzlich für die von EU vorgeschriebenen Dienstleistungen mit eigenen EU-Standards vorgesehen. Voll digitalisiert sind 88 Dienstleistungen, darunter z. B. die Kfz-Zulassung oder das Wohngeld.
Ein Beispiel für eine teils digitalisierte Leistung (Reifegrad 3), ist das Elterngeld. Hierbei hilft ein Online-Assistent beim Ausfüllen des Antragsformulars. Dieses Formular muss jedoch ausgedruckt und an die Verwaltung geschickt werden. Reifegrad 2 hat lediglich ein auszufüllendes PDF-Dokument, das dann ausgedruckt und versendet werden muss. Von den Leistungen mit erwarteter starker Aufmerksamkeit sind etwa ein Viertel mindestens teils digitalisiert. Lehmann dazu: „Da ist noch viel Luft nach oben. Doch gerade bei den am häufigsten von den Berlinerinnen und Berlinern nachgefragten Leistungen wird dieses Jahr noch viel passieren.“
Wenn man sich dabei anschaut, wie weit die unterschiedlichen Ressorts sind, zeigt sich, dass die Gesundheitsverwaltung mit 66 Leistungen mit Reifegrad 0 Schlusslicht ist. Besonders weit ist das Finanzressort mit 13 voll digitalisierten Leistungen, das davon profitiert, dass mit ELSTER bereits ein umfangreiches digitales System für Steuerfragen existiert. In absoluten Zahlen liegt die Senatsinnenverwaltung mit 35 fertig-digitalisierten Leistungen vorn.
Um festzustellen, wo wir bei der Digitalisierung in Berlin bald Fortschritte erwarten können und wo sie momentan steht, lohnt sich ein Blick auf die Digitalisierungsampel, die sich aus der Priorität, dem aktuellen Grad der Digitalisierung und den noch zu beseitigenden Hindernissen zusammensetzt.
Gut sieht es dabei bei Finanzen, Inneres, Kultur und Stadtentwicklung aus, schlecht dagegen bei den Verwaltungen für Wirtschaft und Arbeit. Große Fortschritte sind bei der Innenverwaltung zu sehen, was insbesondere an den priorisierten Bürgerdiensten liegt. Lehmann abschließend: „Das Dashboard ist ein gutes Mittel, das uns einfach zeigt, wie groß die Aufgabe der Verwaltungsdigitalisierung ist. Anstatt jedoch nur als Buzzword davon zu sprechen, zeigt es ganz konkret auf, was noch zu tun. Wir werden gerade die alltäglichen Bürgerdienstleistungen in absehbarer Zeit digitalisieren. Sobald hier dann die ersten Schritte einmal getan sind, wird es sehr schnell mit der Digitalisierung gehen. Denn sobald die Verwaltungsabläufe nachhaltig digitalisiert sind, wird jeder neue Antrag ein Kinderspiel. Dies klappt bereits jetzt bei neuen Verwaltungsleistungen, wie beim neuen Wohngeld-Antrag, den Berlin vor allen anderen online zur Verfügung stellte. Wir werden das Dashboard also im Blick behalten und wieder dazu informieren, wenn sich Grundlegendes tut.“
Jan Lehmann, 0173-8186322 https://jan-lehmann.de/2023/04/14/das-digitalisierungsdashboard-der-berliner-verwaltung/ |