Wer in Europa für faire Löhne, menschenwürdige Arbeitsbedingungen und den Schutz unserer Umwelt kämpft, weiß: Gute Gesetze sind kein Selbstläufer. Oft müssen wir hart verhandeln, um soziale und ökologische Standards gegen starke Wirtschaftsinteressen durchzusetzen. Umso aufmerksamer müssen wir sein, wenn diese mühsam errungenen Fortschritte plötzlich wieder zur Diskussion stehen – wie aktuell im Rahmen des ersten von mehreren angekündigten Omnibus-Paketen der Europäischen Kommission.

Auf den ersten Blick klingt das Paket harmlos: Die EU will Vorschriften vereinfachen, Bürokratie abbauen und Unternehmen entlasten. Ein grundsätzlich sinnvolles Ziel – gerade für kleine und mittlere Betriebe, die sich in einem zunehmend komplexen Regelwerk zurechtfinden müssen. Doch bei genauerem Hinsehen geht es hier um mehr als nur „technische Anpassungen“: Betroffen sind zentrale Gesetze, die Unternehmen zu mehr Verantwortung in ihren Lieferketten, zur transparenteren Nachhaltigkeitsberichterstattung und zum aktiven Klimaschutz verpflichten.

Diese Gesetze – etwa die Richtlinien zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht oder zur Nachhaltigkeitsberichterstattung – sind keine Schikane. Sie schützen Menschen vor Ausbeutung, sorgen für gleiche Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt und bringen unsere Wirtschaft auf einen sozial-ökologischen Kurs. Als Sozialdemokrat*innen haben wir in den letzten Jahren erfolgreich dafür gekämpft – und nun gilt es, diese Errungenschaften zu verteidigen.

Gemeinsam mit meinen Kolleg*innen der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament setze ich mich deshalb dafür ein, dass es beim Umgang mit dem Omnibus-Paket nicht um einen verkappten Rückschritt geht, sondern um eine intelligente Entbürokratisierung mit klarer Haltung. Zusammen mit den pro-europäischen Fraktionen der EVP, Renew Europe und den Grünen haben wir uns darauf verständigt, den weitern Prozess, wenn möglich, gemeinsam zu gestalten. Unser Ziel ist es,                                                                                                                                                                                                                                                                                              Vereinfachungen dort zu ermöglichen, wo sie sinnvoll sind, aber die Ziele und Grundlagen nicht zu unterlaufen.

Konkret bedeutet das: Wir haben der zeitlich befristeten Verschiebung einzelner Anwendungspflichten zugestimmt, damit Unternehmen Zeit gewinnen, sich auf die Umsetzung vorzubereiten. Aber wir haben dabei auch klargemacht: Die Substanz dieser Gesetze steht nicht zur Debatte. Die Rechte von Beschäftigten, der Schutz der Umwelt und die Kontrolle globaler Lieferketten bleiben für uns nicht verhandelbar.

Wir brauchen ein Europa, das seine Regeln verständlich macht – aber nicht die eigenen Werte verliert. Wer Vereinfachung fordert, muss dafür sorgen, dass sie nicht zum Freifahrtschein für Verantwortungslosigkeit wird. Das gilt für große Konzerne genauso wie für politische Institutionen.

Foto von © Fionn Große