Ein Beitrag von Enrico Bloch

Hat Corona die Erwerbsarmut in Deutschland verschärft?
Die Antwort auf diese Frage lautet eindeutig: nein. Die Corona-Krise zeigt lediglich klar die Defizite auf, die auch vor der Krise existierten, aber von der breiten Öffentlichkeit hingenommen wurden.

Die Verantwortung dafür trägt eine Politik, die davon ausgeht, dass eine Vielzahl von -insbesondere arbeitslose- Menschen in diesem Land keine „Lust“ zum Arbeiten haben. Aus diesem Grund hat man bereits im Zuge der Hartz IV-Gesetzgebungen die Sanktionierungsmöglichkeiten bei der Weigerung von der Annahme von zumutbaren Beschäftigungen verschärft, die Gelder für Weiterbildung-bzw. Qualifizierungen verringert und die Anspruchsregelungen verschärft.

Dieses ist und war ein fataler Ansatz. Die deutsche Wirtschaft boomt. Wir haben in unserem Land nahezu Vollbeschäftigung. Dennoch bleiben die Lohntüten gerade von Beschäftigten im Bereich der Dienstleistung leer. Es gibt einen Überhang an qualifizierten Fachkräften für Berufszweige in denen der technologische Fortschritt bereits Einzug gehalten und ehemals qualifizierte Tätigkeiten jetzt von angelernten Beschäftigten übernommen werden können.

Auch hat die Globalisierung zu einer Abwanderung von Arbeitsplätzen in andere Länder geführt, weil eben dort die Produktions- und Personalkosten geringer sind damit die Gewinne höher ausfallen. All diese aufgeführten Missstände waren bereits vor der Corona-Pandemie bekannt.

Der erste richtige Schritt der Erwerbsarmut in diesem Land entgegenzuwirken war die Einführung des Mindestlohns. Gegenwärtig liegt der Mindestlohn bei 9,35 €. Bei einer wöchentlichen Arbeitsleistung von 40 Stunden entspricht das einem monatlichen Brutto von 1.496,00 €. Damit hätte eine alleinerziehende Mutter bereits Anspruch auf eine Aufstockung durch Hartz-IV. Den die Grenze für die Erwerbsarmut liegt bei 1.500,00 €.

Doch welche alleinerziehende Mutter schafft es überhaupt, eine Vollzeitbeschäftigung zu finden und welche möchte es? Noch schlimmer ist für diese Menschen, die den Willen zur Arbeit haben, monatlich als Bittsteller beim Arbeitsamt auf der Matte zu stehen und sich einmal komplett zu entblößen und ihre derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse offenzulegen.

Deshalb haben vor Corona eine Vielzahl von Menschen auf das ihnen ohne Frage zustehende Unterstützungsgeld verzichtet. Doch mit dem Kurzarbeitergeld von 60% des letzten Nettos haben diese Menschen überhaupt keine Wahl mehr und müssen zwangsläufig aufstocken.

Wenn ein tatsächliches Interesse seitens der Politik gibt, die Erwerbsarmut in Deutschland zu beseitigen, ist es wichtig, den Markt zu regulieren. Gibt es mehr Fachkräfte in einem Arbeitsbereich, als Arbeitsplätze vorhanden sind, muss die Politik Anreizsysteme für Unternehmen schaffen, sich regional niederzulassen und dafür Beschäftigte anständig zu bezahlen. Gleichzeitig muss die Anzahl der Beschäftigten in diesem Berufszweig reduziert werden z.B. durch Reduzierung der Ausbildungsplätze, durch Umschulungen und geförderte Abwanderungen von Beschäftigten aus diesem Berufszweig in Regionen, wo noch genügend gut bezahlte Arbeitsplätze vorhanden sind.

Nicht vergessen werden dürfen die befristet Beschäftigten, die geringfügig Beschäftigten und die Minijobber. Auch hier ist es Aufgabe der Politik, Lösungen zu entwickeln, die auf Vertrauen basiert und auf die tatsächlichen Lebensumstände jedes einzelnen Menschen eingeht und ein gutes Auskommen ermöglicht. Anderenfalls wird sich an die Erwerbsarmut die Altersarmut anschließen.

Was Deutschland jetzt dringender denn je braucht ist eine investive aktive Arbeitsmarktpolitik und auskömmliche Lohnersatz-und Sozialleistungen. Die Gewerkschaften werden nicht umher kommen den Wert der Arbeit neu zu definieren und entsprechende Forderungen an die Politik zu formulieren.