von Gordon Lemm, Bezirksstadtrat und Co-Kreisvorsitzender

Michael Müller und nach ihm Franziska Giffey haben den Startschuss gegeben. Berlins Verwaltung soll modernisiert werden. Viel zu viel wird noch mit Papierakten, komplizierten Verfahren, nicht kompatibler Fachsoftware und ungenauen Anweisungen gearbeitet.

Dass nicht alles reibungslos und gut läuft im Land Berlin, weiß wohl jeder von uns. Schulen, die 6-8 Jahre benötigen, bevor sie eröffnet werden können, Bürgeramtstermine, die 60 Tage im Voraus alle ausgebucht scheinen, oder Neueinstellungen in der Verwaltung, die mindestens ein Jahr brauchen – das sind kritikwürdige Zustände. Grund genug also, das alte, neue Projekt der Verwaltungsreform wieder in Angriff zu nehmen.

Ich durfte als Vertreter der SPD in den Arbeitsgruppen der Senatskanzlei dabei sein. Hier wurde vor allem eines deutlich: Der Ansatz, den Kai Wegner jetzt gewählt hat, nämlich das Allgemeine Zuständigkeitsgesetz (AZG) ändern zu wollen, wird die Probleme nicht lösen. In diesem Gesetz sind die Kompetenzen der Bezirke, des Senats und der nachgeordneten Behörden geregelt. Die Grundidee dahinter ist simpel: Die Probleme, die wir haben, haben wir, weil unklar ist, wer was machen soll, und es zu häufig unklare Zuständigkeiten gibt.

Das klingt erst mal nachdenkenswert. In unseren Analysen von Fällen, in denen Verwaltung besonders gute oder besonders schlechte Ergebnisse zeigt, wurde aber deutlich: Das hat nichts mit unklaren Zuständigkeiten und auch nicht mit zu wenig Kompetenzen auf der einen oder anderen Seite zu tun. Vielmehr laufen dort Prozesse im Land Berlin besonders gut, wo es eine enge Abstimmung zwischen Bezirken und Senatsverwaltungen gibt, wo Prozesse in ihrer Umsetzung evaluiert und angepasst werden und wo neue Vorhaben bereits im Vorfeld besprochen und mit ausreichend Ressourcen ausgestattet werden.

In der Debatte, die jetzt geführt wird, geht es meines Erachtens nicht mehr um die Frage, wie Verwaltung effizienter und besser werden kann, sondern darum, wer welche Kompetenzen erhalten soll. Das bedeutet zumeist, der Senat solle den Bezirken mehr als bisher sagen können, was sie wie und wann zu tun haben, und innerhalb der Bezirke sollen die Bürgermeister:innen mehr Rechte bekommen, um stärker anweisen zu können.

Dahinter steht die Annahme, dass das Land (der Senat) besser weiß, was gut für den jeweiligen Bezirk und dessen besondere Situationen ist. Probleme gab es insbesondere dann, wenn Bezirke sich quergestellt haben und nicht das umsetzen wollten oder konnten, was der Senat sich vorgestellt hatte. Es fehlte dem Senat also einfach an Kompetenz, Dinge umzusetzen, und Bezirke hatten zu viele Rechte, um gute Politik blockieren zu können. Ebenso verhält es sich mit den Bezirksämtern: Wenn eine Instanz mehr durchsetzen kann, gibt es weniger Probleme; so die Idee hinter dem sogenannten politischen Bezirksamt mit starken Bürgermeister:innen.

Leider haben diese beiden Annahmen keine empirische Grundlage. Sie folgen lediglich der Idee, wenn einer bestimmt, gibt es weniger Probleme. Wer diese These für plausibel hält, darf gern für sich selbst prüfen, welche Senatsverwaltung in den letzten Jahren aus seiner/ihrer Sicht einen so großartigen Job gemacht hat, dass man ihr nun mehr Kompetenzen auch in jedem einzelnen Bezirk wünschen kann. Auch die Frage, welche Bürgermeister:innen in den Bezirken derart viele Kompetenzen vereinen, dass sie von Kitaplatzversorgung über Seniorenpolitik und Kulturförderung künftig allein entscheiden sollten, darf in diesem Zusammenhang gestellt werden.

Leider sind diese Ideen auch bei uns in der SPD hoch im Kurs. Sie werden aber nicht nur nicht die Probleme der Verwaltung lösen, sondern auch politisch Schaden verursachen. Wenn die Bezirke weniger entscheiden können, wird unsere Arbeit vor Ort bedeutend unwichtiger, solange wir nicht den Bürgermeister stellen (was aktuell leider wahrscheinlich ist). Die Korrektur von Fehlentwicklungen innerhalb einzelner Bezirksgebiete (zu wenig Schulplätze, marode Straßen) müsste künftig beim Land erbeten werden. Wenn das aus allen Bezirken und allen Regionen auf den Senat zukommt, weiß man bereits jetzt, wie wenig davon wirklich bearbeitet und umgesetzt werden kann. Gäbe es zudem eine Koalition im Bezirk ohne uns, so bestünde für uns auch keine Möglichkeit mehr, aktiv Politik im Sinne unserer sozialdemokratischen Werte zu gestalten.

Ich werde als Vertreter der Bezirke im Landesvorstand weiter dafür kämpfen, dass diese Entwicklungen so nicht eintreten. Ich hoffe, damit Erfolg zu haben.